Agiles Portfoliomanagement: So starten große Unternehmen

Wand mit Klebezettel
Von Sebastian Schneider // 18.08.2019 // 0 Kommentare

Agiles Portfoliomanagement ist für größere Unternehmen oft attraktiv. Den Begriff Portfoliomanagement kennen diese Unternehmen in der Regel und agil ist in den meisten Unternehmen ebenso angekommen und kein Hype mehr. Also muss es doch irgendwie zusammen passen, oder?

In diesem Artikel gehe ich darauf ein, was agiles Portfoliomanagement ist, wie Sie es aufbauen können und warum oft ein Backlog nicht ausreicht. Ich möchte bewusst keine Wertung und keine Präferenz für ein Framework aussprechen, sondern als Basis meine Erfahrungen nehmen, die ich nun seit 2005 in großen Unternehmen machen durfte.

Was bedeutet Portfoliomanagement?

Zu Beginn möchte ich mit Ihnen das Verständnis über Portfoliomanagement klären, damit wir dann gemeinsam agiles Portfoliomanagement besser bestimmen und verstehen können.

In größeren Unternehmen finden wir in der Regel den Begriff des Portfoliomanagements, der zusammenfasst, an was ein Unternehmen strategisch in der nächsten Zeit arbeiten will. Was das genau ist, variiert von Branche zu Branche, von Produkten zu Produkten. Ursprünglich aus der Finanzwirtschaft kommend, findet sich der Begriff in fast jedem Unternehmen, dass mehr als ein Produkt entwickelt.

Portfoliomanagement

Spätestens bei dem Begriff Strategie oder Langfristigkeit horchen die ersten Personen auf und fragen sich, wie das mit einem agilen Vorgehen vereinbar ist. Wir betrachten in einem agilen Portfoliomanagement etwas, das länger dauert, als übliche Sprints. Das nicht jede Anforderung in Sprints passt, ist den meisten Personen mittlerweile auch geläufig. Die agile Community benutzt dafür den Begriff des Epics. Das deutet an, dass das  Backlog Item nicht in den Sprint passt und größer ist.

Im Grunde hilft und auch dieses Konzept auf der Ebene des Portfolios, doch dazu dann später mehr im Detail. Wir halten fest, dass wir uns für das agile Portfoliomanagement mit größeren und längeren Themen auseinandersetzen.

...und agiles Portfoliomanagement ist?

Ich halte es gerne einfach und bringe nun die strategische, langfristige Sicht und die inkrementelle, iterative Sicht zusammen. Ich möchte zum einen weiterhin größere Themen (die ich im Folgenden immer Initiativen nenne) betrachten können, diese aber nicht im klassischen Sinne ausplanen, sondern die agile Sichtweise und agile Prinzipien anwenden. 

Agiles Portfoliomanagement erlaubt die Betrachtungsweise mehrerer, größerer (oft) strategischer Themen in einer Organisation unter Anwendung agile Prinzipien.

Agiles Portfoliomanagement

Geht das nicht auch anders? Mit Sicherheit. Ich beschreibe hier eine Möglichkeit, sich dem Thema agiles Portfoliomanagement zu nähern. Es gibt weitere Möglichkeiten so etwas zu handhaben. Lesen Sie gerne weiter und versuchen sich dann Ihre Punkte aus der Beschreibung herauszuziehen. Ebenso ist es durchaus möglich, dass Sie 

  • keinen Bedarf an einem agilen Portfoliomanagement haben
  • agiles Portfoliomanagement einem anderen Namen kennen

Sie finden in diesem Artikel einen Ansatz, den Sie reflektierend für Ihre Arbeit nutzen können. Am Ende finden Sie weiterführende Links zum agilen Portfoliomanagement.

Die Ausgangssituation

Auf einem strategischem Portfolio Board verwalten Sie Ihre Initiativen, die in Ihrer Organisation existieren. Diese recht groben und großen Initiativen entstehen auf diesem Board und finden auch Ihr Ende bzw. die Umsetzung auf diesem Board. Während dieser Reise auf diesem Board gewinnen diese an Reife.

Initiativen sind groß, haben keine Akzeptanzkriterien und ermöglichen Personen grundsätzlich über Themen, deren Relevanz und Priorität zu entscheiden. Als Beispiel können Sie sich Dinge vorstellen wie:

  • Erschließung des chinesischen Marktes
  • Optimierung Verauchswerte für CO2 Werte
  • ...

Die grundsätzliche Idee dahinter ist, keine unfertige, unabgestimmte Arbeit an die Teams zu lassen. Erst wenn Sie anhand von Akzeptanzkriterien genug Reife an den Initiativen haben, dann lassen Sie diese Initiative an das Team zur Abarbeitung.

Ebenso haben Sie in der Regel hier noch keinen Product Owner, der sich für eine bestimmte Initiative verantwortlich zeigt. Häufig finden sich aber Themenverantwortliche auf dieser Ebene. Hier geht es darum, die grobe Richtung aus Sicht der Unternehmensführung zu geben und Informationen zu sammeln.

Irgendwann haben diese Initiativen ausreichend an Reife gewonnen und können bearbeitet werden. Auch bei dieser Bearbeitung sprechen wir oft von einer iterativen und inkrementellen Art und Weise, diese Initiativen umzusetzen. Wir sprechen dabei ganz bewusst von einer Art "Container", der keine Spezifikation ist.

Zu einem Zeitpunkt X ist dann (hoffentlich) ausreichend Arbeit in solche Initiativen geflossen und es existiert ein Bild, wie Teile dieser Initiativen nun im Detail umgesetzt werden können.

Zu Zwecken der Übersicht, können wir dann kaskadierende Kanban Boards nutzen. Das eine Kanban Board, speist ein weiteres - oder eben auch direkt ein Backlog.

Portfolio vs. reinem Backlog

In diesem Artikel lege ich den Fokus auf Organisationen, die nicht rein Scrum skalieren (zum Beispiel mit einem LeSS), sondern etwas "über der Agilität" haben. Dabei gibt, gab es und wird es immer unterschiedliche Wege geben. Ich betrachte dabei einen bewussten Kanbanansatz.

Herausforderungen mit MVPs

Sicherlich haben Sie in diesem Zusammenhang schon den den sogenannten MVPs (Minimal Viable Product) gehört. Dieses MVP ist dazu da, zu überprüfen, ob eine Idee grundsätzlich in die richtige Richtung geht. Das gilt auch und gerade für Initiativen. Wenn Sie agiles Portfoliomanagement betreiben, dann besitzen Sie große Themen. Diese Themen können Sie niemals in Summe überprüfen. Sie müssen es in kleinen Schritten tun. Auf Basis einen MVPs (später dann auch MMF, Inkrement, ...) können Sie Stück für Stück an eine Lösung gelangen.

Warum sollte man das überhaupt so machen?

Natürlich werden nun die ersten aufschreien und sagen, "Moment, das hat doch nun mit agil nichts zu tun!". Ja, aus Sicht einer reinen, auf Scrum basierten Skalierung ist da "zu viel oben drüber". Trotzdem tun sich größere Organisationen mit so einem Vorgehen leichter und wir betrachten im Folgenden einmal genauer, warum das oft so ist.

Problem 1: Das eine Backlog mit dem einen Product Owner gibt es nicht

Ich möchte in diesem Artikel bewusst einen bestimmten Fall betrachten, der in größeren Organisationen immer wieder auftritt: Den einen Product Owner für ein Produkt gibt es nicht. Das hat häufig eine ganze Reihe an Gründen, beispielhaft wären dazu

  • Das Wissen über das oder die Produkte ist nicht in einer Person vorhanden. Es gibt mehrere Personen, die nur zusammen das Wissen über das oder die Produkte haben.
  • Auf dem Weg in eine "agilere" Welt, schafft das Unternehmen nicht den revolutionären Ansatz, nur mit einem Product Owner aufzutreten.
  • Sie haben noch zu viele und unterschiedliche Rollen, so dass Sie mehrere Personen "unterbekommen" müssen. Diese Personen sind aus unterschiedlichen Bereichen, die Sie (aus Ihrer Sicht) nicht übergehen können.
  • Durch Ihre Organisationsstruktur müssen immer mehrere Personen (zum Beispiel Fachbereich, IT, Marketing, Sales, ...) zusammenarbeiten, die alle als Stakeholder für solche Initiativen gelten.
  • Entscheidungen können nicht einfach so von dem Product Owner getroffen werden. Mehrere Personen wirken an der Entscheidung mit.
  • ...

Problem 2: Sie haben keine klaren Produkte etabliert

Wenn Sie sich nicht ausreichend Gedanken über einen weiten Produktgedanken machen, dann finden sich in Unternehmen oft viele Produkte wieder, die Abhängigkeiten aufweisen. Dann sind Sie schnell bei mehreren Product Owner, teilen und grenzen ab und am Ende finden Sie kaum Möglichkeiten einer sinnvollen Kommunikation über die Teamgrenzen hinweg.

Eine zu enge Produktdefinition ist oft ein echtes Problem in Unternehmen. Das kommt häufig noch aus einer alten Projektdenke heraus und ist erstmal gar nicht schlimm. Sie werden solche Punkte oft nicht direkt lösen. Sie sollten Sie auf dem Weg aber immer vor Augen haben.

Problem 3: Fertige Product Backlog Items sind herausfordernd

Haben Sie einen Product Owner, dann stellt dieser im Product Backlog Refinement die Product Backlog (PBI) Items vor, diskutiert diese mit dem Team und dann bekommen die BPIs eine Reife und können für einen der nächsten Sprint verwendet werden. Das funktioniert immer dann sehr gut, wenn Sie mit einem Scrum Team ein Produkt entwickeln und die Rolle und das Wissen des Product Owners klar ist.

Wenn das nicht der Fall ist (siehe oben), dann haben Sie sehr wahrscheinlich mehrere Personen, die mitreden wollen und oft (leider) auch noch müssen.

Problem 4: Die Teams sind fast immer ausgelastet und im negativen Multitasking

Ihre Teams arbeiten. Die sind alle unter Volllast und jeder fragt sich, wieso nicht eigentlich mehr als Ergebnis am Ende herauskommt. Wenn wir uns die Fälle konkret ansehen, dann stellen wir oft die folgenden Dinge fest:

  • Single Point of Entry fehlt. Die Teams bekommen in der Regel immer viel Arbeit von allen möglichen Seiten. Wenn die Product Owner Rolle existiert, dann ist Sie oft nicht befähigt und es werden Arbeiten an dieser Rolle vorbei angenommen und durchgeführt.
  • Transparenz über die Arbeit fehlt. Was genau jeder Einzelne tut, ist nicht ersichtlich. Dabei ist die fehlende Transparenz für viele auch ein Schutz, etwas nicht tun zu müssen. 
  • Puffer fehlen oder sind zu hoch. Entweder werden Puffer nicht betrachtet oder diese sind viel zu hoch angesetzt. Puffer sind betriebswirtschaftlich gesehen teuer. Sie sind aber dann richtig, wenn sie den Arbeitsfluss unterstützen.
  • Zu viel Arbeit parallel. Es werden viele Dinge angefangen, wenig Fokus auf aktuelle Aufgaben und oft fehlende Kriterien, wann Arbeit fertig ist.
  • ...

Lösungsansatz

Nähern wir uns nun einmal möglichen Lösungsansätzen. Auch hier gilt, es gibt durchaus mehrere Ansätze und je nach Situation kann sich die Wirksamkeit unterscheiden. Ich arbeite trotzdem gerne mit Beispielen.

Wir werden die folgenden Lösungsansätzen mit einigen Fragen reflektieren. Auf diese Fragen werden Sie sehr wahrscheinlich auch zu sprechen kommen.

Frage 1: Inhaltliche oder prozessuale Bearbeitung

Im agilen Portfoliomanagement werden Sie sehr wahrscheinlich mit Meetings arbeiten, in denen Sie Aufgaben verwalten und sich abstimmen.

Für ein agiles Portfoliomanagement müssen Sie eine Entscheidung treffen, die sich praktische alle Unternehmen stellen. Dabei geht es um die Grundsatzfrage, ob Sie in diesem Termin inhaltlich oder nur prozessual arbeiten. Diese Unterscheidung bestimmt auch den Zeitbedarf, die Sie investieren müssen.

In fast allen Unternehmen gibt es dazu dann Portfoliorunden, in den die relevanten Personen / Stakeholder zusammen kommen und im Bezug auf den Prozess und / oder Inhalt arbeiten.

Fokus auf dem Inhalt

Ein agiles Portfoliomanagement, dass auf der Portfolioebene sich auf den Inhalt fokussiert setzt in der Regel folgendes voraus:

  • Hoher Zeitaufwand im Meeting. Wenn inhaltlich gearbeitet wird, ist die benötigte Zeit größer.
  • Weniger Querbeziehungen. Die richtigen Personen arbeiten inhaltlich als Team zusammen und lösen direkt Themen.
  • Höhere Fachkompetenz. Durch eine inhaltliche Arbeit wird mehr Fachkompetenz in dieser Runde benötigt.
  • Operationalisierung

Fokus auf dem Prozess

Ein agiles Portfoliomanagement, dass auf der Portfolioebene sich auf den Prozess fokussiert setzt in der Regel folgendes voraus:

  • Niedriger Zeitaufwand im Meeting. Es finden überwiegend Entscheidungen und Abstimmungen statt.
  • Mehr Querbeziehungen. Die Arbeit findet außerhalb statt und muss koordiniert werden.
  • Höhere Prozesskompetenz. Hohe Disziplin im Prozess und der Einhaltung diesen für die Bearbeitung.
  • Koordintation

Frage 2: Welche (Prozess-) Schritte braucht es zur Reife?

Ein Vorteil von Kanban ist es, qualitativen Fluss durch ein Board zu erzeugen. Das können Sie mit expliziten Akzeptanzkriterien erreichen. Je nach Schritt haben Sie eine Anzahl von Kriterien, die es Ihnen erlauben, Stück für Stück die nötigen Informationen mit allen Stakeholdern an Ihre Initiativen zu bekommen.

Die nachfolgenden Schritte sind oft an gleichen Prinzipien angelehnt und doch in der Praxis verschieden. Drei bis fünf Schritte finden sich oft in der Praxis. Diese stellen Reifegrade dar.

Erste Spalte aka Ideen / Funnel / Eingang / ...

Es gibt immer einen Start in dem Kanban Board, der unterschiedlich genannt werden kann. Diese Bezeichnung sollte so gewählt werden, dass diese zur Organisation passt. Zu Ihren Prozessen passt. Zu Ihrem Verständnis beiträgt.

Dabei werden in der Regel keine Kriterien für die Erstellung neuer Initiativen in diesem Bereich gesetzt - prinzipiell ist alles willkommen. Je nach erwarteter Anzahl und strategischer Ausrichtung nutzen einige Unternehmen so etwas wie strategische Landkarten, zu denen neue Themen passen müssen.

Kriterium für Initiativen im Schritt Eingang etablieren

Sollten Sie zu viele Ideen auf der Portfolioebene bekommen, dann können Sie zum Beispiel abgleichen, ob diese Idee zusammen mit Ihrer strategischen Ausrichtung stehen und zur Vision passen. Alles was dem nicht entspricht, kommt gar nicht erst durch.

Zweite Spalte aka Detaillierung / Verfeinerung / Sichtung / ...

Nachdem die Initiativen die erste Hürde genommen haben, steht in ihnen in der Regel eine Verfeinerung an. Hier finden grobe Abschätzungen und Arbeiten statt. Dabei kann es sein, dass

Dritte Spalte aka Review / Finalisierung / ...

In der letzten Spalte vor dem Backlog befinden sich häufig detaillierende und finalisierende Aktionen. Das können Entscheidungen für die tatsächliche Durchführung sein, Schätzungen, überlegen wie eine inkrementelle Entwicklungsstrategie aussehen kann oder auch, dass ein Input einer Community of Practice notwendig ist.

Vierte Spalte aka Commited Backlog / Backlog / Reif zur Umsetzung / ...

Nach der Entscheidung, dass diese Initative umgesetzt werden soll, befinden sich diese dann tatsächlich in einem S

Nachfolgende Schritte

Da die nachfolgenden Schritte selbsterklärend sind, finden Sie diese in dem nachfolgenden Bild abschließend noch einmal dargestellt.

Nie zu viel Arbeit investieren

Ihr Ziel muss es sein, zu jedem Zeitpunkt so viel wie nötig und so wenig wie möglich Arbeit in den Schritten zu investieren. Dann schöpfen Sie auch das Potential voll aus, was Ihnen das Portfolioboard liefern kann.

Akzeptanzkriterien selbst entwickeln

Ich habe bewusst die obigen Spalten sehr wenig konkret gemacht. Es ist absolut notwendig, dass Organisationen Ihre eigene Implementierung finden. Sie suchen mehr Beispiele? Dann laden Sie sich mein Whitepaper gerne herunter.

Frage 3: Portfoliorunde mit Product Owner

Ich nenne es gerne das Portfolioteam. Dieses Team treibt die Initiativen innerhalb des Portfolios zur Reife. Dieses Team besteht dabei aus Product Ownern und Stakeholdern aller betroffenen Bereiche. Im folgenden Bild sehen Sie, dass das "Portfolio Team" die Aufgabe hat, die Initiativen über den Prozess hin durch dieses Board zu begleiten.

Die richtigen Teilnehmer für das Portfolioteam finden

Die Kernfrage, vor der Unternehmen stehen wenn Sie agiles Portfoliomanagement einführen ist immer zweigeteilt. Zunächst geht es darum, wer in dieses Meeting eingeladen wird. Dann geht es darum, dass die Anzahl der Teilnehmer schnell überhand nimmt. Schauen wir uns dazu die einzelnen Punkte genauer an.

  • Wer ist Teil des Portfolioteams? Teil des Portfolioteams ist eine Anzahl von Personen aus der eigenen Organisation. Sie finden diese Personen in der Regel über Organigramme, durch Erfahrungen, Prozesse, AKV-Matrizen oder oft durch ein gigantisch einfaches Tool: "Red's halt miteinand" 😉  
  • Stellvertreter und Doppelbelegungen. Bei zu vielen Teilnehmern werden Sie unbedingt einen Blick auf die richtige Flughöhe für Ihre Produkte werfen wollen. Natürlich sind alle Personen in einer Verantwortungshierarchie irgendwie bei Produktentscheidungen betroffen. Aber eben doch nur irgendwie und nicht tatsächlich mehrwertbringend. Das gilt es aufzulösen.
  • Entscheidungen treffen.  Die Stakeholder / Themenverantwortlichen in so einem Portfolioteam müssen entscheidungsberechtigt sein. Hier gilt das gleiche, wie bei einem "PO Gremium". Wenn nichts entschieden wird, dann ist es zwecklos und verlängert jegliche Abstimmungen um ein Vielfaches.
  • Portfolioteam bedeutet Arbeit. Stellen Sie klar, dass in einem Portfolio Team Arbeit anfällt und bestimmter Einsatz erbracht werden muss. Es dürfen nur die in diesem Team sein, die das zu einen können und zum anderen wollen. Dabei trennt sich schnell die Spreu vom Weizen.

Frage 4: Benötigte Arbeit von Teams im Portfolio

Eine optimale Herangehensweise wäre es, dass das Portfolio Team das Board komplett alleine bearbeiten kann. Es gibt Unternehmen, bei denen das funktioniert.

In der Praxis stelle ich immer wieder fest, dass sich Unternehmen damit aber nicht leicht tun. Schnell finden sich Aussagen wie:

  • Wir benötigen die Aussage von Teammitgliedern, um eine (auch grobe) Schätzung treffen zu können.
  • Wir müssen die Teams erst einmal etwas evaluieren lassen.
  • ...

Es kann gut sein, dass auch Sie schnell auf Dinge stoßen, bei denen Sie die Teams fragen müssen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Sie

  • ... entweder keine effektive Umsetzung (Sie machen also nicht das Richtige) vollzogen haben (zum Beispiel falsche Auswahl der Personen).
  • ... die benötigten Informationen nicht auf Ihrer Portfolioebene haben (auch zum Beispiel durch Personen oder Prozesse) 
  • ...

Bis lang löse ich solche Dinge gerne so, dass ich in den Teams einen geringen Puffer freihalte. Dieser wird regelmäßig überprüft und angepasst. Damit können Dinge auf der Portfolioebene dann ohne Probleme weiter bearbeitet werden.

Auch das ist in der Regel nur eine temporäre Lösung. Denn durch Retrospektiven lege ich dann gerne den Fokus genau auf so etwas, um das eigentliche Problem zu lösen. Mit dem SeHMaR Format können Sie Ihre Retrospektive zum Beispiel recht einfach auf solche Dinge prüfen.

Die Herausforderungen

Wie immer finden sich bei neuen Ansätzen und Erfahrungen in der Praxis einige Herausforderungen, die ich im Folgenden nun genauer adressieren möchte.

Entstehung der Initiativen

Viele Menschen sagen, sie hätten keine Ideen. Es zeigt sich immer wieder, dass es gar nicht lange dauert, bis Menschen viele, viele Ideen zusammentragen. So ist es auch auf einem Portfolio Board nicht verwunderlich, dass es nicht lange dauert, bis die Ideen und damit die erste Spalte gefüllt ist.

Es stellen sich recht schnell zwei zentrale Fragen, die bei jedem Portfolio Board auftreten und die wieder und wieder in der Praxis diskutiert werden.

  • Dürfen alle Ideen in diese Spalte?
  • Wer darf Ideen in diese Spalte bringen?

Ich bin ja ein Freund davon mit der Einfachheit zu beginnen. Jeder hat seine Präferenzen so etwas zu priorisieren. Der einfachste Fall wäre für mich, dass der Besitzer des Portfolio Boards diese Entscheidung treffen kann, er also befähigt ist, genau das zu tun.

Wenn es um die Anzahl geht, die nicht mehr zu handhaben ist, könnten Sie damit starten, nur Ideen zuzulassen, die Sie in Ihrem Zielbild (Vision, strategische Ausrichtung, Landkarten, ...) haben. Eine erste Idee gebe ich Ihnen oben bei den Prozessschritten.

Reifegrad der Initiativen

Es stellen sich recht schnell zwei zentrale Fragen, die bei jedem Portfolio Board auftreten und die wieder und wieder in der Praxis diskutiert werden.

  • Wer kann die Initiativen reif machen?
  • Ab wann können diese bearbeitet werden?

Während die letzte Frage in der Regel recht einfach zu beantworten ist, nämlich genau dann, wenn die Initiative im Backlog angekommen ist, finden sich unterschiedliche Lösungen für die erste Frage. Und auch hier, lassen Sie gesunden Menschenverstand walten. Natürlich sollen nicht alle an diesen Initiativen in allen Schritten arbeiten (sonst brauchen Sie diese Art des Boards nicht), zu wenig multidisziplinarität fördert auch auf dieser Ebene allerdings wieder ein zu enges Bewusstsein über das zu Erreichende.

Priorisierung der Initiativen

Nicht selten löst die Priorisierung eine Diskussion aus. Agiles Portfoliomanagement benötigt eine Priorisierung, die Art ist frei bestimmbar. Wie oben beschrieben, halte ich das gerne einfach. Allerdings lässt sich die Lösung nicht verallgemeinern. Sondern muss entsprechend angepasst werden. Einige Möglichkeiten:

  • Porfolio Owner entscheidet. Wie auch der Product Owner über die Priorität entscheidet, so tut auch das der Portfolio Owner.
  • Magic Prioritization. Eine recht bekannte Methodik ist die Magic Prioritization, welche im agilen Umfeld häufiger genutzt wird.
  • Weightest Shortest Job First (WSJF). Das durch Donald Reinertsen bekannt gewordene Format zur Priorisierung des kürzesten, gewichteten Auftrags lässt sich auch hier anwenden.
  • ...

Legen Sie die Priorisierung fest

Es ist gar nicht so wichtig, die beste Priorisierungsmethode zu wählen. Es ist viel entschiedener sich für eine zu entscheiden.

Egal für welche Art der Priorisierungsart Sie sich entscheiden. Sie müssen sich dafür früh entscheiden und diese Entscheidung auch gemeinschaftlich mit den Beteiligten treffen.

Entscheidungen treffen

Wenn Sie agiles Portfoliomanagement betreiben, dann haben Sie mit Entscheidungen zutun, wenn das nicht sogar der Großteil der Arbeit auf der Potfolioebene ist!

Sie müssen sich überlegen, wie Sie die Entscheidungen treffen. Das kann zum Beispiel im Konsens sein, im Konsent, demokratische Abstimmungen oder ähnliches. Wichtig ist nur, dass Sie das - ebenso wie die Priorisierung - recht früh und gemeinschaftlich tun.

Entscheidungsform festlegen

Entscheidungen sind oft ein neuralgischer Punkt. Es hilft, wenn Sie die Art festlegen und ebenso auch bestimmen, wer in der Portfoliorunde etwas entscheiden darf.

Es kann auch sehr hilfreich sein, wenn Sie einfache Regeln aufstellen, dass zum Beispiel alle Vertreter von einem Bereich (wenn häufig die Stellvertreterregel gezogen wird) in diesem Meeting Entscheidungen treffen dürfen.

Fazit

Ich persönlich glaube, dass alle Unternehmen schon sehr viel von dem, was es für einen Wandel benötigt, in sich tragen. Persönlich glaube ich nicht an die 1:1 Anwendung von Skalierungsframeworks. Sie sind alle für einen bestimmten Zweck, eine Situation entwickelt worden. Wenn dieser nicht mit Ihrer übereinstimmt dann "passt" es recht schnell nicht mehr.

Nehmen wir davon etwas Abstand und paaren das mit einem Coachingansatz und der Befähigung der Organisation, wieder etwas nachhaltiger auf die eigenen Bedürfnisse und Ziele zu schauen, dann entstehen praktikable Möglichkeiten, die eben nachhaltig verändern. Und das ist wertvoll.

Pros: Agiles Portfoliomanagement

  • Für große Organisationen gut geeignet, die mit ersten, einfachen Schritten beginnen wollen. Agiles Portfoliomanagement in der vorgestellten Art gibt Struktur.
  • Etablierung eines Zusammenarbeitsmodells, wie Menschen in der Organisation sinnvoll zusammenarbeiten können.
  • Ermöglicht die Synchronisation, den Rhythmus zu etablieren, wie die Menschen in der Organisation zusammenarbeiten können.
  • Je nach (politischen) Widerstand sind schnelle trotzdem Erfolge möglich und helfen, agiles Portfoliomanagement in die Organisation zu tragen.

Cons: Agiles Portfoliomanagement

  • Behebt oft nicht den falschen Produktschnitt in Organisationen.
  • Reduziert in der Regel nicht überflüssige Rollen in der Organisation.
  • Fokussiert mehr auf einen strukturierten Ablauf, als auf innovative Produkte.
  • Kann eine agile Dysfunktion sein.

Zusammenfassung:

Agiles Portfoliomanagement ist eine Möglichkeit sind in großen Organisationen des Portfolios in einer schnellen Zeit, mit ändernden Märkten und bestehenden Strukturen zu nähern. Das hier vorgestellte agile Portfoliomanagement löst keine grundsätzlichen Probleme für eine reine agile Ausrichtung.

Weiterführende Informationen

Wibas Portfolio

Mit meinem Kollegen Lothar Fischmann habe ich einen Artikel im Projektmagazin geschrieben, der abgewandelt auch auf der Webseite bei der wibas GmbH zu finden ist.

Portfolio Artikel

Im Projektmagazin habe ich einen Artikel zu Portfoliomanagement veröffentlicht. Den können Sie sich gerne per E-Mail sich zuschicken lassen.

WSJF Artikel

Mit meinem Kollegen Joachim Pfeffer habe ich einen Artikel im Projektmagazin geschrieben, der sich um die Priorisierung mit Weightest Shortest Job First kümmert.

Sebastian Schneider ist dem Framework Scrum - es war Liebe auf den ersten Sprint - bereits seit 2005 verfallen. Seitdem begleitet er Unternehmen (meist größere) bei der Transition in eine neue Arbeits- und Produktwelt.

Dafür findet er den richtigen Grad zwischen zielgerichteten systemischen Impulsen und dem nachhaltigen Coaching in der Organisation, um diese bei der Entwicklung und Optimierung des eigenen Kundenmehrwerts zu unterstützen und entwickelt mit ihnen Produkte, die ihre Kunden lieben.

Im richtigen Maß gehören dazu die effektive und effiziente Facilitation dazu, sowie agile Spiele und Simulationen, die sein Themenfeld auf einfache Art begreiflichen machen.

Auf Konferenzen, sei es im Fachbeirat oder als Akteur, gibt er gerne Erkenntnisse weiter und freut sich über Kontakte von Angesicht zu Angesicht.

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