Teams richtig schneiden: ein fatales Muster!

Von Sebastian Schneider // 08.03.2020 // 0 Kommentare

Teams richtig schneiden - wie geht das? Welche Teams oder welche Organisation hat sich nicht irgendwann genau diese Frage gestellt und eine Antwort dazu gesucht? 

Um Teams richtig schneiden zu können, benötigt es vor allem erstmal eines: einen neutralen Blick auf das System und die vorhandenen Ressourcen. Dazu brauchst du vor allem einen unvoreingenommen Blick, wie "Teams" im Moment in deiner Organisation aufgebaut sind und arbeiten.

Ich werde zunächst eine typische Kundensituation in einem kleineren Teamkontext beschreiben, dann zeigen, wie ich üblicherweise vorgehe und abschließend Lösungsmöglichkeiten vorstellen.

Ist-Situation beim Kunden

Viele Organisationen (meist größere) haben eine sehr starke hierarchische Struktur. Das ist erstmal nicht schlimm und diese ist praktisch immer über Jahre historisch gewachsen. In jedem Unternehmen gibt es eine Vielzahl an Wegen in dieser Hierarchie, in der die Teams (oder zumindest eine Gruppe von Menschen) arbeiten. In letzter Zeit fällt mir öfters auf, dass diese Gruppen an Menschen oft gar nicht so groß sind. Es gibt Teams, die bestehen gerade mal aus einigen wenigen Mitglieder wie zum Beispiel 3-5 Personen. Schaut und fragt man sich weiter rein, finden sich ebenfalls einzelnen Personen oder Zweierteams in der Organisation. Zur Verdeutlichung der Situation möchte ich hier mit einem vereinfachten Bild starten.

Beobachtungen der Kundensituation

  • Ein Team ist oft nicht das, was ich im agilen Kontext und einem agilen Team verstehen.
  • Die Teams sind oft nicht nach dem Wertstrom aufgestellt.
  • Teams haben nicht immer die Skills im Team, die sie benötigen, um das gewünschte Produkt zu entwickeln.
Teams richtig schneiden - die Ausgangssituation

Bild1: Eine Hierarchie, wie sie oft zu finden ist. Zwei Produkte werden entwickelt, dazu gibt zwei Projekte mit Projektleitern und Teams, Abhängigkeiten und Zugehörigkeiten.

Mein Vorgehen

Im Folgenden möchte ich dich ein wenig an meiner Arbeitsweise teilhaben lassen. Vielleicht bekommst du die eine oder andere Idee, die du für dich adaptieren kannst. Um Teams richtig schneiden zu können, musst du als erstes genau verstehen, wie die aktuelle Situation aussieht. Bei mir gibt es in 9 von 10 Fällen bereits eine vorhandene Implementierung von Teams, selten kommt der Fall vor, dass wir auf der "grünen Wiese" beginnen können.

Die Visualisierung

Um zu verstehen, wie die aktuelle Situation von Teams in der Organisation aussieht nutze ich gerne eine Visualisierung, in welcher Form auch immer. Häufig wird dazu einfach ein Papier benutzt und dann mehr oder weniger die Organisation aufgemalt. Damit hat man einen ersten Indikator. Wird zusätzlich noch der Informationsfluss eingezeichnet und entsteht so die tatsächliche Organisation, dann ist es schon eine sehr gute Grundlage für Ihre Fragen. Ein Beispiel für so eine Visualisierung, kann das eingangs gezeigte Bild sein.

Visualisierung in der Realität

Immer wieder überraschend finde ich die Situation, wenn es um Teams richtig schneiden geht und alle Beteiligten (oder ein Großteil) vor einem Blatt Papier steht und versucht, die Situation konkret zu beschreiben.

Nicht selten beobachte ich bereits hier, dass die Situation und das aktuelle Verständnis bei den Beteiligten sehr unterschiedlich ist (was man grundsätzlich mal nicht vermuten würde). Insofern bietet die Visualisierung nicht nur mir, sondern auch allen Beteiligten die Möglichkeit, die aktuelle Realität zu reflektieren und sich gemeinsam das Verständnis zu schärfen.

Die Zeichnung wird selten sehr "schön" und es empfiehlt sich, diese auch noch einige Zeit öffentlich liegen zu lassen. Nicht selten kommen noch ein paar weitere Fakten dazu.

Am Ende besitze ich auf jeden Fall ein Bild, mit dem ich arbeiten kann. Im nächsten Abschnitt beschreibe ich dann die eine oder andere Frage, die ich basierend auf diesem Bild dann gerne stelle.

Die Fragen

Ich versuche immer mit einer Haltung der Einfachheit an dieses entstehende Bild zu gelangen und ebenso meine Fragen einfach zu gestalten. Um Teams richtig zu schneiden ist es ganz wichtig, sich darauf zu fokussieren, wie agile Teams arbeiten.

  • Vollzeit. Die Teams bzw. deren Mitglieder arbeiten zu 80-100% an dem Produkt.
  • Produktorientiert. Die Teams haben ein gemeinsames Ziel im Produkt und sind kein
  • Multidisziplinarisch. Die Teams haben alle Fähigkeiten, die sie brauchen, um das Produkt zu entwickeln.
  • Langlebig. Die Teams sind keine Projektteams, die sich wieder auflösen, sondern sie arbeiten auf lange Sicht zusammen.

Dabei lege ich den Wert sehr oft auf zwei elementare Dinge, die immer wieder eine hohe Relevanz besitzen.

  • Warum sind das mehrere Teams?
  • Wieviele Menschen arbeiten in den Teams?
  • Sind diese Mitarbeiter vor Ort?
  • Zu wieviel Prozent arbeiten die tatsächlich am Produkt?
  • Haben die Teams alles Wissen, um das Produkt zu entwickeln?
  • ...

Das gemeinsame Verständnis

Recht schnell wird klar: Wir haben mehrere Teams und diese Teams müssen irgendwie zusammen arbeiten. Dann fällt auf, dass die Teams meistens gar keine tatsächlichen Teams sind (welche Überraschung), sondern Spezialisten mit Abhängigkeiten. Es ist also so, dass Team 1 mit Team 2 zusammenarbeitet und dann entstehen schnell Abhängigkeiten zwischen Teams. Schauen wir uns auch diese Situation einmal grafisch an.

Bild2: Mitarbeiter in den Teams arbeiten nicht Vollzeit, arbeiten in mehreren Projekten und haben oft noch Abhängigkeiten über die Teamgrenzen hinweg.

Die häufigsten Probleme, die ich finde

Unternehmen sind in der Regel sehr, sehr ähnlich. Ja die Aussage mag viele irritieren, da doch jeder Kunde immer eine angepasste Lösung für seine Einzigartigkeit benötigt. Für mich ist das trotzdem stimmig, denn es geht in meinen Augen immer genau um drei grundlegende Dinge:

Die Muster

Wenn ich von Ähnlichkeiten spreche, dann beziehe ich mich immer auf Muster in Organisationen. Das betrifft dann die Art und Weise, wie zum Beispiel ohne Transparenz gearbeitet wird, o.ä.

Die Optionen

Die Optionen, die Unternehmen tatsächlich haben sind immer begrenzt. Völlige Wahlfreiheit besteht nie und deshalb ist es immer wichtig, die Optionen im Blick zu haben.

Die Lösung

Die Lösung, die am Ende für Unternehmen existiert ist immer individuell. Sie folgt trotzdem den typischen Mustern und enthält einer der möglichen Optionen.

Die Muster in Organisationen für Teams 

Wenn ich von Mustern spreche, dann meine abstrakte Verhalten, die immer wieder auftreten. Egal welche Branche, egal welche Unternehmen - diese Muster finden sich immer wieder, in unterschiedlichen Ausprägungen.

  • Ressourcenprobleme. Die Mitarbeiter sagen in der Regel immer etwas in der Richtung, dass Sie Probleme haben, weil andere Mitarbeiter entweder Teilzeit arbeiten, nicht im Team sind oder wenn Sie im Team sind, dann noch andere Projekt haben, die zu Problemen führen.
  • Negatives Multitasking. Sehr oft arbeiten die Teammitglieder an vielen Dingen gleichzeitig. Wir kennen alle das eigentliche Problem: Menschen sind nicht multitaskingfähig. Weder in Aufgaben noch in Projekten.
  • Unzufriedenheit bei dem Team. Fast immer ist die Motivation im Team nicht so, wie man es erwarten würde. Teammitglieder erkennen die Probleme und sind zunehmend frustrierter.
  • Fehlende Transparenz. Klingt mittlerweile total abgedroschen, ist aber nach wie vor eines der Hauptthemen in Unternehmen: Es ist nicht klar, welche Arbeit wirklich im System ist.
  • Arbeit an unfertigen Dingen. Wenn du eine Aufgaben bekommst und nicht weißt, was du damit tun sollst, dann wird es sehr schwierig sein, diese im Sinne des Anforderers zu lösen. Klingt logisch? Man findet trotzdem sehr oft die Situation, dass eben genau nicht fertige Anforderungen an das Team gegeben werden.

Die zur Verfügung stehenden Optionen

Um Teams richtig schneiden zu können, erarbeite ich gerne mehr als eine Option. Am liebsten bewege ich mich um die Zahl fünf für die Optionen herum. So gibt es in der Regel genug inhaltliche Dinge, die die Teams betrachten können.

Nicht jedes Unternehmen kann zum aktuellen Zeitpunkt alles tun, auch wenn das gerne immer wieder von Führungskräften und Coaches propagiert wird. Natürlich ist es rein theoretisch möglich, doch oft sprechen Dinge wie aktuelle politische oder organisatorische Dinge einem Wandel entgegen. Das bedeutet nicht, dass es nie möglich sein wird. Doch manche Option wird einfach aktuell nicht in Anspruch genommen.

Deshalb ist es wichtig, diese Optionen zu betrachten und sich dessen bewusst zu sein und dann die entsprechende Wahl zu treffen.

Extreme Positionen ermitteln

Ich finde es gut, wenn der Kunde seine Positionen ermittelt, die sich ganz am äußeren Rand befinden. Meistens liegt das im Bereich von "nichts ändern" und "alles sofort zu 100% umsetzen".

Zwar sind die Optionen implizit jedem klar, es hakt dann aber doch immer noch an der einen oder anderen Stelle, diese Transparenz zu bekommen.

Sei mutig und beschreib auf alle Fälle die Extrempositionen. Sie eignen sich auch auszuloten, ob es tatsächlich nichts schlimmeres geben kann.

Nutze zudem weitere Eigenschaften deiner Optionen, wie zum Beispiel:

  • Wahrscheinlichkeit für die Umsetzung der Option
  • Aufwand für die Umsetzung der Option
  • ...

Es gibt bei den Eigenschaften der Optionen kein richtig und falsch, wichtig ist, dass die Attribute für die betrachtenden Menschen und Team anschlussfähig sind und so helfen, die Optionen zu bestimmen. Zwei Eigenschaften sind gut, mehr als fünf werden dann schnell unübersichtlich.

Mögliche Lösungen

Die Lösungen können auf Basis der Optionen abgeleitet werden können. Um Teams richtig schneiden zu können, brauchst du eine Lösung, die sich natürlich mit dem Optionen verträgt. Dabei hat die Lösung immer den folgenden Aufbau:

  • Wo steht das Team im Moment? Ist für mich die erste Frage, die wir oben schon teilweise betrachtet haben. Für mich hat das auch eine Menge mit Teamreife zu tun und das nicht wertend.
  • Welche Ressourcen hat das Team? Alle Ideen helfen nicht, wenn sie über die Möglichkeiten des Teams hinaus gehen.
  • Welchen Schritt möchte das Team gehen? Ich kann den Team keinen Sinn geben, aber ich kann helfen, ihn zu finden.

Lösungserarbeitung

Ein fatales Muster

Um Teams richtig schneiden zu können, musst du dich von einem Gedanken lösen: der typischen, nicht hinterfragten Hierarchie. Eine Hierarchie ist in der Regel nie nach einem Wertstrom aufgestellt. Wenn du Hierarchie und Wertstrom in Einklang bringen kannst, dann ist es gut. In den meisten Fällen ist aber genau das nicht der Fall.

Folgen die Teams nun genau dieser Hierarchie, dann haben Sie alle Probleme der Hierarchie (vgl. Conways Law) auch in dem Team. Sie können praktisch nicht erfolgreich damit werden.

Ein mögliches Muster

Die einfachste Lösung ist dabei immer der Fokus auf ein Team. Wir reden gerne in großen Ideen und Dimensionen, vergessen und verpassen aber den Nukleus einer Organisation. Die Teams. Es sind die Teams, die Organisationen als kleinste, effektive und effiziente Einheit führen können.

Bild3: Eine einfache Darstellung der möglichen Lösung. Projektleiter aus dem Bild1 arbeiten gemeinsam an einer Priorisierung über ihre Produkte, sortieren das in einem Product Backlog. Die Teams werden soweit wie 

Teamfindung

Teamfindung ist ein sehr wichtiger Aspekt in einer Organisation. Ist die Teamfindung richtig durchgeführt, dann können die Teams auch effektiv zusammen arbeiten. Sind sie das nicht, können sie maximal effizient in dem sein, was an Rahmenbedingung vorgegeben ist.

Teamfindung ohne Team ist kein Teamfindung

Richtig gute Teams entstehen dadurch, dass sich die richtigen Menschen finden und zusammenarbeiten. Das kann nie durch eine externe, nicht im Team befindliche Person sein. Ausschließlich die Teammitglieder selbst, können ihre bevorzugte Art und Weise bestimmen.

Zwei Impulse für die Teamfindung aus der Praxis

Die Teamfindung ist ein Prozess, der durch das Team federführend initiiert werden sollte. Dabei gibt es immer unterschiedliche Ansätze, eines ist aber klar: ohne Team ist es keine Teamfindung. 

2-Tages-Workshop

Meine Präferenz für eine gute Teamfindung liegt bei zwei Tagen. In so einem Workshop erarbeiten die Teams selbst in zwei Tagen ihre bevorzugte Aufstellung und definieren die Zusammenarbeit.

2-Stunden-Workshop

Mit der Einnahme der dritten Person, Stellvertretern in Form von Skulpturen, Betrachtung der vorhandenen Arbeit und Tools wie Moving Motivators, lässt sich eine Teamaufstellung bewerkstelligen.

Zusammenfassung

1.

Verstehe zuerst das System der betroffenen Mitarbeiter. Beginne im Kleinen, lerne die Realität der Menschen kennen. Zu einem frühen Zeitpunkt helfen zum Beispiel große Skalierungsframeworks nichts. Bevor die Menschen in ihrem System nicht die Notwendigkeit selbst erkannt haben, werden sie sich nicht bewegen. Allein ein großes Town-Hall-Meeting und die Präsentation einer Vision hilft nur selten zum Erfolg.

2.

Wenn du die Systeme verstanden hast, verstehe auch die ganz konkreten Probleme und Sorgen der Teilnehmer. Jegliche Lösungen, die nicht die Probleme der Menschen in ihren System adressieren, werden wirkungslos verpuffen, weil du keine ausreichend große Masse an Menschen adressierst hast.

3.

Beginne beim Nukleus - beim Team. Gerade wenn du noch keine Erfahrungen hast. Fokussiere bitte immer zuerst auf den Wertstrom für das Produkt, habe die Einfachheit des Teams im Kopf, nutze die Visualisierung für deine Arbeiten und versuche mit fertigen Anforderungen und einer Reduzierung der parallelen Arbeit die richtige Geschwindigkeit zu erreichen. Und denke immer an das gemeinsame Wissen aller Beteiligten.

Sebastian Schneider ist dem Framework Scrum - es war Liebe auf den ersten Sprint - bereits seit 2005 verfallen. Seitdem begleitet er Unternehmen (meist größere) bei der Transition in eine neue Arbeits- und Produktwelt.

Dafür findet er den richtigen Grad zwischen zielgerichteten systemischen Impulsen und dem nachhaltigen Coaching in der Organisation, um diese bei der Entwicklung und Optimierung des eigenen Kundenmehrwerts zu unterstützen und entwickelt mit ihnen Produkte, die ihre Kunden lieben.

Im richtigen Maß gehören dazu die effektive und effiziente Facilitation dazu, sowie agile Spiele und Simulationen, die sein Themenfeld auf einfache Art begreiflichen machen.

Auf Konferenzen, sei es im Fachbeirat oder als Akteur, gibt er gerne Erkenntnisse weiter und freut sich über Kontakte von Angesicht zu Angesicht.

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