Das Produktziel in Scrum

Produktziel
Von Sebastian Schneider // 28.08.2022 // 0 Kommentare

Was ist ein Produkt Ziel in Scrum?

Eine der Änderungen im Scrum Guide 2020 war das sogenannte Produkt Ziel (Im Folgenden wird "Produkt Ziel", "Produktziel" und "Product Goal" als Synonym verwendet). Immer mehr Unternehmen und Teams arbeiten mit diesem Werkzeug. Wir klären, was ein Produktziel ist, wie du es erstellst und wie du es nutzen kann. Beginnen wir also mit der Frage „Was ist ein Produktziel?“ und arbeiten uns dann langsam durch.

Das Produktziel in Scrum

Das Produkt-Ziel rahmt das Product Backlog. Im Scrum Guide wird von einem Commitment gesprochen. Dieses Commitment bezeichnen wir im Folgenden als Verpflichtung. Diese Verpflichtungen dienen dazu, Empirie und die Scrum-Werte für das Scrum Team und seine Stakeholder zu verstärken. Mit der Aktualisierung des Scrum Guides im Jahr 2020 wurden diese Verpflichtungen zu den drei Artefakten hinzugefügt. Die Idee eines Commitments ist es, dem Artefakt zusätzliche Qualität zu verleihen, um die Transparenz zu verbessern.

Das Produktziel in Scrum ist damit eine qualitative Verpflichtung hinsichtlich der Transparenz des Product Backlogs. Das Produkt-Ziel beschreibt einen zukünftigen Zustand des Produkts, welches dem Scrum Team als Planungsziel dienen kann. Es gibt dem Was im Backlog ein Warum. Hinter dem Produktziel steht immer die Frage „Warum all die Arbeit gemacht wird“. Das Produkt Ziel in Scrum bringt zwei Eigenschaften mit sich. Zum einen verdeutlicht das Wort Ziel etwas, wonach das Team streben kann. Und zum anderen ist das Ziel messbar, wenn man es erreicht hat. Scrum als Framework beschreibt nicht genau, was die Details eines solchen Product Goals sind. Dadurch haben die Teams die Chance, die Produktziele auf ihre eigenen Weise zu verdeutlichen. Das vereinfacht es auch die Ziele in den eignen Prozess einzubinden.

Das Produkt-Ziel befindet sich im Product Backlog. Der Rest des Product Backlogs entsteht, um zu definieren, „was" das Produkt-Ziel erfüllt. Ein Produkt ist ein Instrument, um Wert zu liefern. Es hat klare Grenzen, bekannte Stakeholder, eindeutig definierte Benutzer oder Kunden. Ein Produkt kann eine Dienstleistung, ein physisches Produkt oder etwas Abstrakteres sein.

Das Produkt-Ziel ist das langfristige Ziel für das Scrum Team. Das Scrum Team muss eine Zielvorgabe erfüllen (oder aufgeben), bevor es die nächste angeht.

Die Ausrichtung des Produktes ermöglicht Fortschritte in Richtung der Produktvision. Produktziel und Produktvision gehören zusammen und auch beim Schreiben eines guten Produktziels sollte das nicht verwechselt werden - wir werfen gegen Ende noch mal einen Blick auf genau diese Unterscheidung.

Abgrenzungen zur (Produkt) Vision und dem Sprint Ziel

Damit wir das Product Goal besser einordnen können, sehen wir uns zwei ähnliche Begriffe an: Die Produkt Vision und das Sprint Ziel. Das Sprint Ziel kannst du als unmittelbares Ziel pro Sprint verstehen, das kurzfristig erstellt wird und uns taktisch unterstützt, das Produkt Ziel zu erreichen. Die Erstellung erfolgt kurzfristig im Sprint, die Vorarbeit bei Sprint Zielen führt oft nur dazu, dass du sie wieder ändern musst.

Vision Produkt Ziel Sprint Ziel

Wer schreibt das Produkt Goal?

Der Product Owner ist für das Ziel, wie auch das Product Backlog verantwortlich. Die Vorteile von Produktzielen zu kommunizieren ist sein Aufgabe, auch hier kann er sich Tipps und Coaching vom Scrum Master holen. Der Product Owner konsultiert meist andere Stakeholder im Unternehmen, bevor die Produktziele mit anderen Mitgliedern des Scrum-Teams besprochen werden. Der Product Owner muss wissen, was zur Markteinführung des Produktes strategisch wichtig ist.

Je nachdem auf welcher Implementierungsstufe für Scrum das Unternehmen steht, kann die Abstimmung mit Produktmanagement und ein Abgleich mit der Unternehmensstrategie notwendig sein. Weiter kann die Phase des Produktlebenszyklus, der Marktanteil, die Konkurrenz und der Einfluss von Unternehmenszielen das Ausrichten des Product Goal beeinflussen. Da als Framework keine Details zur Erstellung angegeben sind, gibt es viele Möglichkeiten, wie du dein Produktziel schreiben kannst.

Welche Merkmale kann ein Produktziel haben?

Damit wirklich jeder die Produktziele nutzen kann, wollen wir einige Merkmale benennen. Die Entwicklung eines Produktziels ergibt sich immer aus der Definition des Product Backlog. Zeitgleich kann das Produktziel dabei unterstützen, die Entwicklung des Product Backlog voranzutreiben. Man kann also festhalten, dass diese beiden Faktoren immer eine Einheit bilden. Beachten darf jedes Team, dass es immer nur ein Produktziel für das Backlog gibt und es auch zu jeder Zeit nur eines verfolgen sollte.

Das Produktziel muss klar und einheitlich formuliert sein. Ansonsten kann es zu Verwirrungen und unklaren Ergebnissen bzw. falscher eingeschlagener Richtung kommen. Es ist typischerweise vor dem Backlog geschrieben. Hilfreich kann es sein, dass eine Symmetrie darin besteht, dass das Produktziel zum Backlog passt. Ebenso wie das Sprintziel zum Sprint Backlog passen muss.

Um ein Produktziel nach Scrum zu verwirklichen, kann eine Produktstrategie erfolgen. Diese dient als Leitfaden, um das Ziel zu erreichen. Ist dieser Plan im Product Backlog bereits ausreichend beschrieben, muss er nicht erneut durch eine Strategie aufgegriffen werden. Obwohl das Produkt noch in der Entwicklung und Produktion ist, bewegt es sich trotzdem schon auf das Ende des Produktziels zu. Wichtig ist auch, dass die Produktziele im Backlog transparent gehalten werden, ebenso wie man es bei den Sprints im Scrum kennt.

Abschließend kann man also einfach zusammenfassen, dass ein Ziel eine Richtungsangabe ist. Je nachdem wie das Ziel beschrieben, analysiert und aktualisiert wird, kann es sich im laufenden Prozess verändern. Sinn dieses Produktziels nach Scrum ist es, die Arbeit der Teams und Stakeholder zu vereinfachen.

Lassen sich Produktziele während des Sprints verändern?

Ein Produktziel sollte immer so gestaltet sein, dass es sich über mehrere Sprints erstreckt. Heißt also nicht zu jedem Sprint verändert sich ein solches Ziel, dann wäre es eher im Bereich der Sprint Ziele angesiedelt. Das bedeutet allerdings auch, dass sich das Ziel während eines Sprints nicht verändert. Das ist gleichzusetzen mit dem Sprintziel.

Auch das betrachten wir natürlich nicht als Dogma. Wenn sich eine Änderung eines Product Goals mitten in einem Sprint ergibt, dann entsteht natürlich eine Änderung. Hier darfst du gerne aber auch noch mal schauen, ob sich der "Baustein" bei dir als zu feingranular erweist. Idealerweise findet eine solche Änderung aber keinen direkten unmittelbaren Einfluss auf das Team. Wenn doch, dann wenden wir auch hier die Scrum Theorie an und gehen bestmöglich damit um.

Wer genau entscheidet über das Produktziel?

Das Produktziel ist das Commitment des Product Backlog und offiziell seit November 2020 im Scrum Guide. Hierfür ist der Product Owner verantwortlich. Demnach ist er auch für das Produktziel mit verantwortlich. Er ist also dazu bestimmt, das Produktziel zu erkennen, zu analysieren und am Ende auch zu kommunizieren.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Produktziel und der ProduktVision?

Wer sich mit dem Scrum Framework schon etwas befasst hat, der wird vielleicht die Ausführungen zur Vision noch kennen. Im aktuellen Scrum Guide findet sich nun kein Hinweis mehr auf die Vision. Damit die Scrum-Teams motiviert die Ziele verfolgen, ist es ratsam, ein ähnlich starkes Wort zu verwenden. Das bedeutet nicht, dass du die Vision nicht trotzdem nutzen kannst. Wie bereits erwähnt, es ist ein Framework und damit ist es eine Minimalanforderung! Je nach Situation und Anforderung kann es in deinem Kontext wichtig sein, dass es eine Vision gibt. Dieses kann beispielsweise die Richtung besser konkretisieren oder einen größeren Zusammenhang beschreiben, in dem das Produkt eingebettet ist. Es schließt sich gegenseitig also nicht aus.

Produkt Ziel und Sprint Ziel

Wie schreibe ich ein gutes Produkt Ziel in Scrum?

Werfen wir nun einen Blick auf das Handwerkliche. Als Product Owner kennst du deinen Markt und die Zielgruppe. Grundsätzlich ist das die beste Voraussetzung, zur Kommunikation solltest du nun in der Lage sein, dieses Produktziel mit kurzer Formulierung allen zu erläutern - unabhängig von Branche und Produktentwicklung. Egal ob du ein Produkt oder die Dienstleistung als dein Produkt ansiehst, die Beschreibung vom Product Goal ist gleich. Also starten wir direkt rein, mit den Tipps bevor wir dann das Beispiel uns genauer ansehen.

  • Wir haben eben schon gehört, dass ein Product Goal zwei Dinge verinnerlichen sollte. Es soll erstrebsam und messbar sein. Dazu schauen wir uns auch gleich ein Beispiel an. Wichtig hierbei, du kannst dafür ein Canvas nutzen oder aber einfach auch ein kleines Statement schreiben. Platziere es auf jeden Fall in der Nähe des Product Backlogs!
  • Wir tendieren gerne zu viel aufzunehmen. Fasse dich kurz und überlege zu kürzen, wenn du vor lauter Umsatz, Absatz, Differenzierung und Produktvariationen den Blick auf das wesentliche verlierst. Es geht darum ein mittelfristiges Ziel zu beschreiben, dass im Monatsbereich Bestand hält. Es gibt also Änderungen und das muss nicht 100% sein.
  • Konkrete Backlog Items haben übrigens nichts im Ziel zu suchen
  • Es können mehrere Ziele existieren, der Fokus ist allerdings immer, nie zwei Ziele zeitgleich

Schauen wir uns nun zwei beliebige Beispiele an:

  • Erstellen einer Webseite für den deutschen Markt
  • Designen eines neues Prototypen für den smarten Getränkeautomat
  • ...

Wenn du dazu nun Sprint Ziele betrachtest, kann das so aussehen:

  • Erstellen einer Webseite für den deutschen Markt
  • Startseite mit Navigation und Blindtexten erstellen
  • Seitenstruktur und Inhalte migrieren
  • ...
  • Designen eines neues Prototypen für den smarten Getränkeautomat
  • 3D Modell erzeugen
  • Anbindungen Infrastruktur mit Mock-Daten
  • ...

Und die Vision dazu? Auch das könnten wir hier z.B. so einbauen:

  • Wir revolutionieren den Markt mit einem einfachen, schlauen und nachhaltigen Trinkverhalten für alle Menschen, die unterwegs sind (Vision)
  • Designen eines neues Prototypen für den smarten Getränkeautomat (Produkt Ziel 1)
  • 3D Modell erzeugen (Sprint Ziel 1)
  • Anbindungen Infrastruktur mit Mock-Daten (Sprint Ziel 2)
  • (Sprint Ziel n)
  • (nächstes Produkt Ziel)
  • (nächstes Sprint Ziel)
  • ...
  • ...

Tools für dein Produktziel

Natürlich stehst du nicht alleine da, für alle Product Owners gibt es Werkzeuge zum Implementieren von Product Goals. Die folgende Liste ist nicht abschließend und du kannst kontinuierlich auf die Implementierung eines guten Verfahrens bei dir achten. Du solltest auch differenzieren: Nicht alles wird 100% zu deinem Stil und deinem Kontext passen. Achte immer auf den Ursprung der Techniken und passe es an deine Wunsche und Bedürfnisse und vor allem deinem Kontext an.

Hinweise / Tipps

Platzierung des Ziels

Was du einmal ausprobieren kannst: Wenn ihr zum Beispiel online arbeitet, dann hefte das Produktziel einfach mal im Chat an, halte es im Backlog Management Tool fest und nutze es aktiv auch bei der Verwendung von einer Agenda in deinem Termin. Hier gilt auch steter Tropfen höhlt den Stein.

Dysfunktionen

Achte immer darauf, wie du Scrum wirklich implementiert hast. Die Meinungen von Stakeholdern ist immer wichtig, diktieren sie aber dem Product Owner, wie das Produkt aussehen muss, dann läuft etwas falsch. Als Kennzahl oder zur persönlichen Zielerreichung sollte das Product Goal auch nicht verwendet werden, betrachte es immer wie es der Scrum Guide schon formuliert hat:

The Product Goal describes a future state of the product which can serve as a target for the Scrum Team to plan against…

Fazit und Start

Alles was du gelesen hast, kann überwältigend wirken. Die Ausarbeitung von Produktzielen kann Forschung, Experimente, Kundenabfragenn, Interviews oder auch Messungen erfordern. Es erfordert ein Eintauchen in die Welt der Nutzer und Kunden - gerade für ein neues Produkt.

Der Scrum-Guide sagt dir absichtlich nicht, wie du diese Ziele schreibst. Es gibt viele gute Praktiken, aber es gibt keine beste Praxis. Du kannst mit Vorschlägen, Brainstorming und ähnlichem arbeiten, um deinen ersten Startpunkt zu erforschen. Achte auf deinen Kontext und was bei dir relevant ist. Die Zusammenfassung der Kundenbedürfnisse und dessen Aufbereitung zeigen sich in solchen Arbeiten.

Sebastian Schneider ist dem Framework Scrum - es war Liebe auf den ersten Sprint - bereits seit 2005 verfallen. Seitdem begleitet er Unternehmen (meist größere) bei der Transition in eine neue Arbeits- und Produktwelt.

Dafür findet er den richtigen Grad zwischen zielgerichteten systemischen Impulsen und dem nachhaltigen Coaching in der Organisation, um diese bei der Entwicklung und Optimierung des eigenen Kundenmehrwerts zu unterstützen und entwickelt mit ihnen Produkte, die ihre Kunden lieben.

Im richtigen Maß gehören dazu die effektive und effiziente Facilitation dazu, sowie agile Spiele und Simulationen, die sein Themenfeld auf einfache Art begreiflichen machen.

Auf Konferenzen, sei es im Fachbeirat oder als Akteur, gibt er gerne Erkenntnisse weiter und freut sich über Kontakte von Angesicht zu Angesicht.

>