Wir machen kein richtiges Scrum, schlimm?

Scrum richtig falsch
Von Sebastian Schneider // 19.03.2020 // 0 Kommentare

Wann machen Sie richtiges Scrum und wann ist es kein richtiges Scrum? Diese Frage beantwortet der Scrum Guide zwar schon ziemlich konkret, ich möchte dieser Frage aus Sicht der Praxis einmal genauer auf den Grund gehen.

Im Kontext vieler Unternehmen und deren Fragestellungen in der Diskussion, werfe ich einen Blick auf die typischerweise mit dieser Frage verbundenen Gedanken, Glaubenssätze und ersten sinnvollen Schritten.

Scrum oder kein Scrum - ist das die richtige Frage?

Bevor wir uns mit der Frage nach dem richtigen Scrum beschäftigen, sollten wir uns eine andere Frage stellen: wie relevant ist die Frage, ob es sich um ein richtiges oder nicht richtiges Scrum handelt?

Zum einen ist es wichtig, nicht in einer fanatischen 100% Diskussion unterzugehen, zum anderen sollten Sie zielorientiert zu Ihrem Ziel gelangen können. Dazu schauen wir uns im Folgenden drei Quellen an: Den Scrum Guide, Ihr konkretes Ziel und wie Sie agil definieren.

Der Scrum Guide

Der Scrum Guide gibt uns natürlich die sicherste Antwort auf unsere Frage. Er ist immerhin die "Bibel" und von den Scrum Gründern selbst veröffentlicht. Blättern (oder scrollen) wir ein wenig im Scrum Guide, dann finden wird dort die folgende Aussage:

Scrum Guide

Scrum is free and offered in this Guide. Scrum’s roles, events, artifacts, and rules are immutable and although implementing only parts of Scrum is possible, the result is not Scrum. Scrum exists only in its entirety and functions well as a container for other techniques, methodologies, and practices.

Diese Aussage ist klar und deutlich. Kein richtiges Scrum machen Sie aus Sicht des Scrum Guides also genau dann, wenn Sie diesen nicht in der Summe umsetzen. Zwei wertvolle Aussagen sind damit enthalten.

  • Wenn Sie Scrum machen wollen, dann müssen Sie auch Scrum machen. Und zwar so, wie es im Scrum Guide steht.
  • Wenn Sie einzelne Praktiken nutzen wollen, steht Ihnen das frei. Das Ergebnis ist dann kein Scrum, es kann Ihnen aber trotzdem etwas helfen.

Wir kommen später beim Ziel noch genauer darauf zu sprechen. Fakt ist, richtiges oder kein richtiges Scrum hängt maßgeblich davon ab, was Ihr Ziel ist und was Sie mit einem agilen Framework wie Scrum erreichen wollen.

Scrum Guide: richtiges oder kein richtiges Scrum

Der Scrum Guide sagt aus, wenn Sie Scrum machen wollen, dann müssen Sie es auch so machen, wie es im Scrum Guide steht. Nur Teile zu implementieren, ist kein richtiges Scrum.

Ihr Ziel

Es ist wichtig, Ihr Ziel in die Betrachtungen nach der Frage, ob Sie richtiges oder kein richtiges Scrum machen, einzubeziehen. So ist Scrum für bestimmte Rahmenbedingungen wertvoll, sehr wertvoll sogar - für andere hingegen weniger. Es ist also nicht das eine "Werkzeug", welches Sie für jegliche Situation verwenden können.

Warum Scrum?

Scrum ist ein iteratives, inkrementelles Framework. Das agile Framework hilft komplexe Produkte zu entwickeln. Wenn Sie ein Ziel haben, das genau auf diese Punkte einzahlt, dann ist das perfekt. Wenn nicht, dann wird Scrum und Ihr Ziel nur bedingt zusammen passen. Das ist nicht schlimm, hilft Ihnen dann erst recht bei der Auswahl. Um ganz einfach zu starten und einige erste Beispiele zu diskutieren, zeige ich Ihnen einige typische Beispiele.

Beispiele für ein gutes Warum für Scrum

  • Die Anforderungen an unser Produkt ändern sich häufig.
  • Wir benötigen schnelles Feedback zu unserem Produkt.
  • Wir arbeiten mit dem Kunden Hand in Hand an einem innovativen Produkten, die wir schnell am Markt platzieren wollen.
  • ...

Beispiele für kein gutes Warum für Scrum

  • Die anderen Unternehmen in unserem Umfeld machen auch Scrum.
  • Man muss heute doch Scrum machen, agil ist in und wir jetzt auch.
  • Wir müssen schneller und billiger werden, also brauchen wir Scrum.
  • ...

Wo stehen Sie, wo wollen Sie hin?

In meinen Trainings stelle ich immer folgende Situation fest: Teilnehmer, die noch nicht mit Scrum in Berührung gekommen sind, scheitern im Verständnis spätestens an dem Punkt, bei dem es darum geht zu verstehen, was inkrementelle und iterative Entwicklung wirklich bedeutet.

Kein richtiges Scrum lässt sich ohne inkrementelle und iterative Entwicklung durchführen. Und wenn Ihr Ziel auch gar nicht Scrum ist und jenseits der oben vorgestellten Beispiele ist, dann muss das auch gar nicht Ihr Problem sein.

Zu Beginn habe ich immer versucht gegen Menschen zu argumentieren, die irgendwie auf Scrum gekommen sind und im Training sitzen. Nicht alle wollen Scrum in der Gänze nutzen und versuchen ihre eigenen Ziele darauf zu mappen. 

Ich versuche nun die Menschen und deren Zielen besser zu verstehen und zu Beginn abzufragen. Dann wird auch schnell klar, ob ein richtiges Scrum hilfreich ist oder nicht. Deshalb ist für mich hier nicht die Beantwortung der Frage wichtig, sondern das Ziel und der Weg dort hin. Und Scrum kann ein Weg sein, muss es aber nicht.

Definition Ihres "agil"

Sie können agil sein, ohne Scrum zu machen. Und Sie können Scrum machen und niemals agil zu werden. Sie können die agilen Prinzipien nutzen, um Ihr eigenes agiles Vorgehen zu etablieren. Egal, wie Sie es nennen, es kann zielführend sein. Nehmen wir ein Beispiel. Das agile Manifest sagt etwas zu regelmäßiger Lieferung:

Yesterday's weather - constant pace

3. agiles Prinzip aus dem agilen Manifest

Liefere funktionierende Software regelmäßig innerhalb weniger Wochen oder Monate und bevorzuge dabei die kürzere Zeitspanne.

Scrum greift dieses Prinzip auf und nutzt es etwas "strenger". Es sagt an der Stelle, dass Scrum Sprints von einen Monat oder kürzer besitzt. Nehmen wir also an, Sie sind zu dem Schluss gekommen, 6 Wochen ist perfekt für Sie - dann ist das kein Scrum, basierend auf den agilen Prinzipien aber trotzdem möglich. Auch hier merken Sie wahrscheinlich schnell: richtiges oder kein richtiges Scrum ist einfach eine Definitionssache.

Definitionssache

Sie können agil sein ohne Scrum zu machen und Sie können Scrum machen, ohne agil zu sein. Es liegt weniger in der Erfüllung der korrekten Definition Ihres agilen Frameworks, als viel mehr der Auswahl des passenden Frameworks zu Ihren Problem.

Sebastian Schneider ist dem Framework Scrum - es war Liebe auf den ersten Sprint - bereits seit 2005 verfallen. Seitdem begleitet er Unternehmen (meist größere) bei der Transition in eine neue Arbeits- und Produktwelt.

Dafür findet er den richtigen Grad zwischen zielgerichteten systemischen Impulsen und dem nachhaltigen Coaching in der Organisation, um diese bei der Entwicklung und Optimierung des eigenen Kundenmehrwerts zu unterstützen und entwickelt mit ihnen Produkte, die ihre Kunden lieben.

Im richtigen Maß gehören dazu die effektive und effiziente Facilitation dazu, sowie agile Spiele und Simulationen, die sein Themenfeld auf einfache Art begreiflichen machen.

Auf Konferenzen, sei es im Fachbeirat oder als Akteur, gibt er gerne Erkenntnisse weiter und freut sich über Kontakte von Angesicht zu Angesicht.

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