Der Scrum Roll-out gelingt nicht!

Scrum backlog Item
Von Sebastian Schneider // 25.01.2018 // 0 Kommentare

Der Scrum Roll-out

Wenn eine klassische (hierarchisch, tayloristische) Organisation ​sich auf die Fahnen geschrieben hat, Scrum einzuführen, dann folgt diese Einführung in der Regel einem bestimmten Muster. Dem Muster des sogenannten "Roll-out's".  Ebenso finden sich diese Roll-Out-Gedanken ebenso im Beratungsbereich stark verbreitet.

Das Prinzip ist identisch: Konzept erstellen, Überlegen wie es am besten und schnellsten in die Organisation gebracht werden kann, und dann durchführen. Am Ende: abgeschlossen und alle machen "gutes" Scrum. Auch wenn das Konzept des Roll-Out's bei Wikipedia (Stand Januar 2018) nicht genug mit Belegen untermauert war, findet sich doch dieses Muster sehr oft in Organisationen.

Wer jetzt den Scrum Guide richtig studiert und verstanden hat, sich bewusst ist, was empirische Prozesskontrolle und die Scrum Theorie ​ist, der kommt vielleicht schon auf eine möglich Idee, warum der Scrum Roll-Out nicht so funktionieren kann.

Was ist eigentlich ein Scrum Roll-out genau?

​Der Scrum Roll-out

​Häufig haben Organisationen das Verständnis von einem einmaligen Konzept, einer Durchführungsphase und dann dem Abschluss für ​das ganze ​Unternehmen. Diese Annahme ist grundsätzlich ​gegenläufig zu dem, was die Absicht von Scrum ist.

Zu Beginn wollen wir die Frage klären, was ist eigentlich genau ein Scrum Roll-out​? Scrum als agiles Projektmanagement kennen Sie sehr wahrscheinlich, wenn Sie diesen Blog lesen. Sie finden alle relevanten Informationen dazu auf der Startseite.

Unter einem Roll-out wird das "ausrollen" von unterschiedlichen Dingen, wie zum Beispiel Software verstanden, aber auch organisatorische Dinge, wie neue Methoden oder Frameworks. Der spannende und oft nicht beachtete Teil ist der, dass ein Roll-out in der Regel immer organisationsweit oder mindestens abteilungsweit gemeint ist. Unter einem Roll-out wird praktisch nie eine Einführung in einer kleinen Einheit wie zum Beispiel einem Team verstanden.

Scrum Theorie

​Im Scrum Guide gibt es zu Beginn einen kleinen, aber wichtigen Absatz. Ich möchte mit diesem zur Reflexion beginnen. Der Scrum Guide schreibt zu einem Scrum Roll-out nichts, aber es findet sich die folgende Textpassage.

Scrum Guide 2016

Scrum Guide

Scrum is founded on empirical process control theory, or empiricism. Empiricism asserts that knowledge comes from experience and making decisions based on what is known. Scrum employs an iterative, incremental approach to optimize predictability and control risk. Three pillars uphold every implementation of empirical process control: transparency, inspection, and adaptation.

​Auf die Transparenz, die Inspektion und die Adaption komme ich gleich. Wichtig ist mir in diesem Moment die empirische Prozesskonktrolle. Ich stelle die folgenden Thesen auf und beziehe ich später noch einmal darauf:

  • 1
    ​Wir finden einen wichtigen Hinweis zur Empirie. Als Empirie bezeichnen wir das, was wir erlebt haben, das was wir wissen. Wenn wir Scrum einführen und diese über die ganze Organisation tun wollen, dann nehmen wir an, wir wissen schon genau, wie das zu tun ist. Das ist keine Empirie, das ist Prediktion.
  • 2
    ​Wir treffen zudem die Annahme, dass unsere frühe Entscheidung​ - also das Konzept für den Scrum Roll-out und die Durchführung - richtig war. Wir kennen das natürlich bereits aus anderen Zusammenhängen: Die Welt ist unbeständig und wird sich ändern. Mit Sicherheit also auch die Struktur, die wir für die Organistaion in Zukunft benötigen.
  • 3
    ​Ein Scrum Roll-Out in der angesprochenen Form entspricht ein wenig dem typischen "Big-Bang", den wir gerade ​durch die iterative und inkrementelle Entwicklung ​ versuchen zu vermeiden.
  • 4
    ​Wenn zu Beginn noch nicht sicher ist, wie genau der optimale Wertstrom für den Kunden aussieht und welche Verschwendungsarten existieren, dann haben Sie sehr wahrscheinlich die Situation, diese Probleme in die ganze Organiation zu tragen und zu vermehren.
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​Scrum Theorie

​Transparenz


Scrum benötigt ​ Transparenz, damit das Framework wie gewünscht funktionieren kann. Projektfortschritt und Status der Artefakte muss transparent sein.

​Inspektion


Wenn der gelebte Prozess kontunierliche betrachtet wird, können Abweichungen erkannt und Verbesserungen überhaupt erst abgeleitet werden.

Adaption


​​Wenn der aktuelle Prozess auf Transparenz beruht, er durch Inspektion begutachtet wird, kann eine Adaption in Richtung Verbesserung erfolgen

​Aktuelle Roll-out Gedanken von Organisationen

Ich erlebe im Moment wieder verstärkt Kunden, die mehr in die Explorations- oder Experimentphase eintauchen und sich spezielle Prototpyen für die organisatorische Entwicklung aussuchen. Das entspricht damit natürlich nicht dem klassischen Scrum Roll-out in der gesamten Organisation.

Es entstehen viele Keimzellen, die sich aber auch wiederum nicht auf eine ganze Organisation ausweiten. Das liegt in der Regel daran, das einzelne Bereiche und Abteilungen ohne Wissen der anderen Abteilungen ähnliche Initiativen vorantreiben.

​Wenn wir gedanklich beim Roll-out bleiben: was Sie natürlich immer benötigen ist eine Entscheidung des Managements. Sie müssen dieses einbinden und viel wichtiger noch, das Management muss die Notwendigkeit erkannt haben und unterstützen.

Es ist noch nicht lange her, als sich sowohl die Organisationen selbst, als auch Beratungen auf diese Art von Scrum Roll-out's konzentriert haben.

​Fazit zum Scrum Roll-out

​Wenn Sie unter dem Scrum Roll-out einen experimentellen, empirischen Ansatz sehen, der sich über die Zeit innerhalb der Organisation ausbreitet, dann kann ein dieser gelingen. Machen Sie gleich zu Beginn den Rahmen und die Entfaltungsmöglichkeiten sehr eng, dann werden Sie es sehr schnell, sehr schwer haben.

Wie so oft liegt die Frage für den Erfolg aber im Verständnis des Begriffes Roll-out. Im folgenden finden Sie noch einmal meine Überzeugungen, wann es klappen kann und wann eben eher nicht.

  • ​Verstehen Sie den Roll-out als einen abgegrenzten Teil, den Sie als Prototypen stellvertretend für die Organisation ausprobieren.
  • ​Binden Sie Teams in einen Roll-out ein, lassen Sie diese Erfahrungen und Empfindungen mit einbringen und unterstützen Sie auch den Rückfluss an Informationen.
  • ​Ein Roll-out ist in der Zeit eher kurzfristig, als langfristig. Vermeiden Sie große Initiativen, die kaum Veränderungen und Wert bringen.
  • ​​Betrachtung als ein "one-size-fits-it-all" Ansatz. Sie legen das Konzept im Vorfeld für die ganze Organisation fest und rollen dieses dann "bis zum bitteren Ende" aus.
  • ​​Treffen von Annahmen für andere Teams oder die ganze Organisation, ohne dessen Erfahrungen und Abläufe zu kennen und zu verstehen.
  • ​​Scrum als "Ersatz" für das klassische Projektmanagement sehen: altes raus, neues rein - so scheitern Sie schon mit Ansage.

Sebastian Schneider ist dem Framework Scrum - es war Liebe auf den ersten Sprint - bereits seit 2005 verfallen. Seitdem begleitet er Unternehmen (meist größere) bei der Transition in eine neue Arbeits- und Produktwelt.

Dafür findet er den richtigen Grad zwischen zielgerichteten systemischen Impulsen und dem nachhaltigen Coaching in der Organisation, um diese bei der Entwicklung und Optimierung des eigenen Kundenmehrwerts zu unterstützen und entwickelt mit ihnen Produkte, die ihre Kunden lieben.

Im richtigen Maß gehören dazu die effektive und effiziente Facilitation dazu, sowie agile Spiele und Simulationen, die sein Themenfeld auf einfache Art begreiflichen machen.

Auf Konferenzen, sei es im Fachbeirat oder als Akteur, gibt er gerne Erkenntnisse weiter und freut sich über Kontakte von Angesicht zu Angesicht.

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