Warum es keine Scrum Methode gibt und Google falsch liegt: so funktioniert agiles Projektmanagement nicht

Scrum Methode
Von Sebastian Schneider // 04.12.2022 // 0 Kommentare

Manchmal bin ich tatsächlich etwas sauer auf Google. Denn schenkt man Google Glauben, dann ist der Begriff Scrum Methode hoch im Kurs. Und ja, auch ich schreibe etwas zur Scrum Methode - aber mit einem anderen Hintergrund. Scrum ist keine Methode, sondern ein Framework. Es gibt keine Scrum Methode, trotzdem haben nun scheinbar einige Menschen das Bedürfnis nach diesem Begriff (fälschlicherweise) zu suchen und andere bedienen dieses Bedürfnis. Langfristig schadet das allen: 

  • den Suchenden nach diesem Begriff, denn sie prägen sich etwas ein und tragen etwas weiter, was so nicht korrekt ist.
  • den Anbietenden, da es sie nicht als Experten darstellt und so weitere Fragen uns Diskussionen fördert, die niemanden helfen.

Solltest du also diesen Begriff auf Webseiten finden, hinterfrage den Artikel auf jeden Fall - der Verfasser wird Scrum nicht richtig verstanden haben oder die Vorteile von Scrum nicht wirklich kennt.

Die Scrum Definition

Starten wir zur Vollständigkeit mit der Definition des Rahmenwerk Scrum. Ken Schwaber und Jeff Sutherland haben den Scrum Guide entwickelt. Darin findet sich kompakt auf weniger Seiten alles, was du brauchst, um Scrum effektiv und effizient als Anwender mit deinen Stakeholdern ins Leben zu bringen, um iterativ und inkremetell Produkte zu entwickeln oder komplexe Aufgabenstellungen zu lösen. Das gesamte Scrum Team ist für den Erfolg verantwortlich, denn auf die Zusammenarbeit im Team kommt es an. Sie werden ermutigt die Scrum Werte zu leben und zu verinnerlichen. Die Werte von Scrum sind ebenso fester Bestandteil des Frameworks. Scrum funktioniert ohne diese Werte nicht.

Was Scrum nicht ist: eine Scrum Methode oder gar agiles Projektmanagement

Scrum Methode?

Scrum ist ein Framework, um Produkte oder komplexe Fragestellungen zu lösen. Ja, es gibt den Sprint, den Scrum Master, den Product Owner, ein Product Backlog, das Sprint Backlog und auch ein Daily Scrum. Alles das sind Elemente eines Frameworks, die nichts mit einer Methode zu tun haben.

In meinem Artikel Was ist Scrum? bin ich dem Namen Methode schon mal etwa auf den Grund gegangen und habe mit den Arbeiten der Uni Leipzig gezeigt, dass Scrum keine Methode sein kann. Wer in Scrum eine Methode sieht, der hat den Begriff der Komplexität und Empirie wahrscheinlich nicht richtig verstanden und denkt womöglich noch, ich nutze die Scrum Methode und haben dann ein agiles Projektmanagement.

In den Anfängen der Agilität kann ich mich noch an einen Vortrag auf einer Konferenz erinnern, in dem die Referenten genau das weiß machen wollen. Wir nehmen einfach das "Modul" "klassische Entwicklung" aus dem Projektmanagement raus und ersetzen es durch das "Modul" "agile Entwicklung". Da sind wir heute zum Glück weiter und haben deutlich mehr Kompetenz in der Produktentwicklung gewonnen.

Doch schauen wir uns nun die beiden Begriffe von Scrum Methode und agiles Projektmanagement einmal genauer an.

Eine Scrum Methode gibt es in der Scrum Definition nicht

Wenn du den Scrum Guide liest, findest du schon den Hinweis darauf, dass Scrum keine Methode sein kann:

Innerhalb des Rahmens können verschiedene Prozesse, Techniken und Methoden eingesetzt werden. Scrum umhüllt bestehende Praktiken oder macht sie überflüssig. Scrum macht die relative Effektivität des aktuellen Managements, der Umgebung und der Arbeitstechniken sichtbar, so dass Verbesserungen vorgenommen werden können.

Scrum Guide

Scrum akzeptiert also Methoden auch außerhalb von Scrum, ist aber selbst eben keine.

Agiles Projektmanagement ist Oxymoron

Projekte kennen wir aus dem klassischen Projektmanagement, Produkte entwicklen wir in Scrum. Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Scrum als agiles Projektmanagement zu bezeichnen ist in im Grunde ein Oxymoron. Ja, es gab und gibt auch Bücher mit agiles Projektmanagement mit Scrum - auch das kann man aus Marketinggründen immer tun, bei der genaueren Betrachtung sollte sich der aufmerksame Leser aber genau das hinterfragen.

Ein Oxymoron bezeichnet zwei Begriffe, die in den Zusammenhang gebracht werden, obwohl diese nicht passen. Wikipedia führt als Beispiel den "alten Knaben" an. Ich finde, Scrum (wir entwickeln Produkte) und die Bezeichnung "Scrum sei agiles Projektmanagent" ist im Grunde ein Widerspruch in sich. Schlimm oder ist das nicht relevant? Ich habe den Begriff früher auch genutzt, so habe ich das sogar damals in meinem Scrum Kurs so verwendet. Ich habe gemerkt, das ist anschlussfähig. Und jetzt den Korinthenkacker spielen und meckern? Nicht ganz, denn wir lernen alle über die Zeit und erkennen, wann etwas genauer definiert werden sollte und wann nicht.

Warum denke ich mittlerweile anders darüber? Ich sehe mehr und mehr Menschen, die als Teammitglied, als Stakeholder; Manager und andere Rollen mit einem Scrum Team interagieren. Ein Meeting, der nächste Sprint steht an, wir führen mal ein Sprint Planning und ein Sprint Review durch und alles wird gut. Die Anleitung und Ausführung sind ja bekannt und einfach. Meistens ist es fehlendes Verständnis oder aber eine Umgebung die gar nicht komplex ist und mich deshalb im Sinne eines Projektes agieren lässt.

Ein Scrum Projekt ist ein Begriff der immer von allen Seiten betrachtet werden sollte. Darin steht eben die Annahme, dass ein Projekt zeitlich begrenzt ist. Und das ist Scrum als Framework für die Produktentwicklung schon mal nicht. Scrum definiert auch kein Projekt.

Produktentwicklung und ein Scrum Prozess

Du hast es oben schon erkannt und meistens wirst du ein konkretes Produkt entwickeln. Auch hier bitte wieder aufpassen, was Menschen unter einem Produkt verstehen und was nicht. Einen Scrum Prozess kann es nur "abgeleitet" aus dem Framework Scrum geben. Dein Prozess (konkrete Implementierung) ist dann natürlich immer anders, als bei dem Unternehmen um die Ecke.

Artefakte, Sprint, agil arbeiten

Sie meistens Events sind praktisch ein Scrum Meeting. Der Scrum Master moderiert sie oder hilft den anderen sie zu moderieren. Sie können auch ein Rahmen sein. Manche Teams führen auch eine Definition of Ready ähnlich zur Definition of Done ein und nutzen das in ihrem Setting. Es werden auch Praktiken wie User Stories verwendet. Auch wenn diese nicht zu Scrum gehören, können am Ende des Sprints alle Beteiligten das Ergebnis dieser aus Benutzersicht - oft mit dem INVEST Akronym - geschriebenen Anforderungen sehen. Agil zu arbeiten kann viele Formen annehmen und muss nich Scrum sein. So kann auch Kanban helfen agiler zu arbeiten. Mit Scrum arbeiten Menschen meist, wenn der Wert des Kunden im Fokus steht und klar erlebbar sein soll. Sich in Scrum seit dem letzten Daily Scrum zu fragen, was erlebt wurde und das im nächsten Daily Scrum sofort zu nutzen ist eine gute Praktik, die auch außerhalb von Scrum gerne genutzt werden. Auch das Konzept von Sprints oder Iterationen hilft. Was schaffen wir im kommenden Sprint? Ein klar abgesteckter Rahmen hilft so in der Planung und Schätzung.

Scrum Rollen: Scrum Team, Scrum Master, Product Owner & Stakeholder

Die Teammitglieder sind interdisziplinär und verbessern regelmäßig ihre Arbeitsweise über die Retrospektive. Während man früher Entwicklungsteam und Scrum Team unterschieden hat, geht es heute um die Entwickler und das Scrum Team. Das Scrum Framework definiert die Rollen Entwickler, den Scrum Master und die des Product Owners.

Scrum Artefakte: Product Backlog, Sprint Backlog und Inkrement

Die Anforderungen an das Produkt werden im Product Backlog festgehalten, welches vom Produkt Ziel gerahmt wird. Die Sprints speisen sich aus dem Sprint Backlog, das vom Sprint Ziel geleitet wird. Und das Inkrement hat als Commitment die Definition of Done. Die Artefakte in Scrum sind für die Anwendung von Scrum sehr wichtig.

Dein Einstieg in die Scrum Methode (die keine ist!)

Möchtest du dich in das Framework Scrum genauer einlesen oder hast du nur von Scrum gehört, dann starte unbedingt bei meinem Artikel, "was ist Scrum". Scrum bietet dir eine Menge. Nutze es richtig!

Was du besser nicht mehr in deinem Sprachgebrauch führst

Jetzt höre ich von Teammitgliedern, auch von dem einen oder anderen Scrum-Team selbst, Wortvarianten die ich dir gerne einmal genauer vorstellen möchte.

"Scrum ist ein Modell", "Methoden wie Scrum", "Nach der Scrum Methode arbeiten", "Wurde die Scrum Methode schon ausprobiert?" oder der "Einstieg in die Scrum Methode" ... all das verbannst du besser aus deinem Wortschatz. Natürlich gibt es verschiedene Methoden. Aber alles zu vermischen und sich als vermeintlicher Experte mit falschen Wissen zu positionieren , ist halt auch nicht cool. Es ist fatal und im Sinne der Klarheit und Transparenz für den Kunden (um den es schließlich geht) einfach nur schädlich.

Schön finde ich auch "die Scrum Methode ist ein Framework" - das ist mal gleich doppelt falsch.

Gut, nun aber Fazit: Was macht es wirklich für einen Einfluss?

Ich bin mir abschließend nicht sicher. Deshalb versuche ich eine Einordnung von dem, was ich erlebe und kenne. Hast du auch eine Meinung dazu? Dann schreib mir gerne einen Kommentar!

  • Teilweise denke ich, es ist einfach der Sprachgebrauch und es gibt Menschen, die den Begriff Scrum Methode nutzen und Scrum trotzdem sicher im Sinne des Frameworks verstehen. 
  • Dazu gibt es Menschen, die sich darum überhaupt keine Gedanken gemacht haben und vielleicht jetzt erst durch diesen Artikel darüber nachdenken, es aber auch bis dahin intuitiv richtig verstanden hatten.
  • Ich bin mir aber auch sicher, dass es die Menge an Menschen gibt (aus eigener Erfahrung), die eben diese Bezeichnung entweder wissentlich und bewusst nutzt, um sich ein bestimmtes Ranking bei Google zu verschaffen oder aber es besser nicht wissen und Halbwahrheiten verbreiten.

Sebastian Schneider ist dem Framework Scrum - es war Liebe auf den ersten Sprint - bereits seit 2005 verfallen. Seitdem begleitet er Unternehmen (meist größere) bei der Transition in eine neue Arbeits- und Produktwelt.

Dafür findet er den richtigen Grad zwischen zielgerichteten systemischen Impulsen und dem nachhaltigen Coaching in der Organisation, um diese bei der Entwicklung und Optimierung des eigenen Kundenmehrwerts zu unterstützen und entwickelt mit ihnen Produkte, die ihre Kunden lieben.

Im richtigen Maß gehören dazu die effektive und effiziente Facilitation dazu, sowie agile Spiele und Simulationen, die sein Themenfeld auf einfache Art begreiflichen machen.

Auf Konferenzen, sei es im Fachbeirat oder als Akteur, gibt er gerne Erkenntnisse weiter und freut sich über Kontakte von Angesicht zu Angesicht.

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